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Rankett

 

Rankett Praetorius

Rankett, Rackett, „Würstelfagott“ oder „Faustfagott“,
ital. cortali, cortaldi,
frz. courtaut, cervelat, cervelas

 

Bezeichnung:

Etymologisch geht das Wort auf mittelhochdt. rank Krümmung zurück, das elsäß. ranklik oder schweiz. rankig bedeuten „viele Krümmungen habend“, „in vielen Krümmungen verlaufend“.

 

Die ital. Bezeichnungen cortali oder cortaldi sowie die frz. courtaut leiten sich von Korthold ab, Mersenne nennt es cervelat oder auch cervelas was auf das ital. Wort cervellato (Wurst) zurückgeht.

 

Bohrung und Bau:

Mit dem Rankett, einem Doppelrohrblattinstrument, schuf ein unbekannter Instrumentenbauer - wahrscheinlich jedoch ein Deutscher - das Glanzstück der Konstruktion mit mehrfachen Bohrungen (Munrow). Sachs beschreibt es als Büchse, durch die derart seine spiralige Bohrung gelegt ist, daß die Röhrenlänge tatsächlich mehr als 9 mal so groß ist als die Büchse. Munrow in seinem Buch über historische Musikinstrumente: Die eng mensurierte zylindrische Röhre des Ranketts besteht aus neun parallelen Bohrungen, die in einen Zylinder aus Holz oder Elfenbein getrieben und abwechselnd oben und unten verbunden sind. Das breite Rohrblatt ist ähnlich wie bei der Schalmei in eine Pirouette eingelassen. Den Ausgang der Röhre bildet ein kleines seitliches Loch am Boden des Instruments. Wegen der inneren Windungen ist die Größe des Ranketts erstaunlich klein im Verhältnis zu seiner Tonlage. Die kleinste Größe, das Tenorinstrument (mit einer Bohrung von nur sechs oder sieben mm) ist nur 12 cm hoch und reicht dennoch bis zum tiefen G hinab. Die Untergrenze des Großbaßranketts liegt ebenso tief wie die des Kontrafagotts, obwohl das Instrument nur etwas über 30 cm lang ist.

Die Herstellung der Ranketts - egal ob Renaissance- oder Barock-Instrument - ist ausgesprochen kompliziert: Die Grifflöcher müssen häufig sehr tief und aus sehr verschiedenen Winkeln gebohrt werden, so dass die Feinabstimmung wesentlich schwieriger ist als bei den meisten anderen Holzblasinstrumenten.

 

Verlauf des Tonkanals im Renaissance-Rankett Barock-Rankett mit Aufriss

Renaissance-Rankett: Verlauf des Tonkanals
rechts: Abwicklung des Tonkanals

Barock-Rankett mit Aufriss

 

Klang:

Am Resonanz seynd sie gar stille, fast wie man durch einen Kamm bläset, vnd haben, wann ein solch ganz Accort- oder Stimmwerck zusammen gebracht wird, keine sonderliche gratiam. Wann aber Violn de Gamba dazu gebraucht, oder eins allein nebenst andern blasenden oder besaiteten Instrumenten zu einer Simphony und Clavicymbel etc. von eim guten Meister geblasen wird, ist es ein lieblich Instrument, sonderlich im Baß anmuthig vnd wol zuhören. (Praetorius)

 

Geschichte:

Renaissance-Rankett: In einem Württemberger Inventar von 1576 wird erstmals ein Raggett aufgeführt, ein Grazer Inventar von 1590 verzeichnet Rogetten. Das Gemälde mit der Münchner Hofkapelle zur Zeit von Orlando di Lasso (1532-1594) zeigt neben zahlreichen anderen Instrumentalisten einen Rankettspieler (Ausschnitt, hintere Reihe, 3. von rechts):

 

Renaissance-Rankett

 

Auch auf der Elfenbeinschnitzerei Pan musiziert mit den HirtenRankett von Christoph Angermair (ca. 1600 - 1632) am Münzschrein der Elisabeth von Lothringen (enstanden 1618 - 1624) ist neben vielen anderen Instrumenten ein Rankett zu erkennen: Das gemischte Ensemble besteht aus Zink, Rankett, Posaune, Blockflöte, Panflöte und sogenannter Säulenblockflöte (im Uhrzeigersinn oben links beginnend). Im Hintergrund sind Krummhorn, Schalmei und Traversflöte zu sehen. Der Posaunist (rechts) und der Blockflötist (links) tragen außerdem noch Sackpfeife und Jagdhorn an der Hüfte.

 

Beide Bilder zeigen die deutsche Praxis ein einzelnes Rankett in einem gemischten Ensemble zu benutzen. Die größeren Rankette verdoppeln sehr wirkungsvoll die Baßstimmen eine Oktave tiefer. (Munrow)

 

Dem Nürnberger Instrumentenbauer J. C. Denner (1655 - 1707) wird die „Neugestaltung“ des Bassrankettes nach 1680 zugeschrieben: Es bekam statt der zylindrischen eine weiter mensurierte, sich erweiternde konische Bohrung, ein etwas seitlich in den Deckel gewundenes Anblasrohr anstelle der Pirouette und einen zentral plazierten Schalltrichter, um die Klangabstrahlung zu verbessern, die Anordnung der Grifflöcher, die bei Renaissance-ranketten recht willkürlich war, wurde genau festgelegt, Rankettund man brachte eine Reihe von tetines (eingesetzte Grifflochröhrchen, die vermutlich vom Sordun übernommen wurden) an, um das Greifen zu erleichtern. So entstand ein kompaktes, eng mensuriertes Fagott von leichtem Klang und hübschem Aussehen. (Munrow) Ein Instrument aus der Denner-Werkstatt von 1709 hat sich in Wien erhalten.

 

Unsere ausgestellten Instrumente: die beiden kleinen sind zwei Renaissance-Rankette aus der Werkstatt von Volker Kernbach; das größere ein Barockrankett aus dem Renaissance- und Barock-Instrumentenstudio Celle.

 

Literatur:

John Henry van der Meer: Musikinstrumente. Von der Antike bis zur Gegenwart, München 1983, S. 81ff.
David Munrow: Musikinstrumente des Mittelalters und der Renaissance, Celle, 1980, S. 72ff.
Musikinstrumente der Welt. Eine Enzyklopädie mit über 4000 Illustrationen, Gütersloh 1981.
Curt Sachs: Real-Lexikon der Musikinstrumente zugleich ein Polyglossar für das gesamte Instrumentengebiet, 3. unveränderter Nachdruck der Ausgabe Berlin 1913, Hildesheim 1979.
div. Lexika: Grove, Honnegger/Massenkeil, MGG 1 + 2, Riemann, Ruf.
Die Abbildung auf der Titelseite ist aus: Michael Praetorius: Syntagma Musicum II, 1619.