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Krummhorn

 

Krummhorn Praetorius

frz. cromorne, tournebout,
engl. crumhorn,
ital. cornamuto torto, cromorne

 

Bohrung:

Das Krummhorn gehört zu den Doppelrohrblattinstrumenten mit Windkapsel. Die Bohrung ist eng und zylindrisch, nur am Ende leicht konisch, was zu einem leicht trichterförmigen Schallbecher führt. Die von der hakenförmigen Krümmung der Röhre herzuleitende Bezeichnung erscheint erstmals 1489 in Dresden für ein Orgelregister, was darauf schließen läßt, daß das Instrument bereits seit einiger Zeit gebräuchlich war. (Munrow)

 

Bau:

Das Krummhorn wird aus einem Stück Buchsbaum-, Birnbaum-, Ahorn- oder Holunderholz gedrechselt und gebohrt, dessen unteres Ende unter Dampf gebogen wird und dabei die charakteristische Hakenform erhält. Die Biegung hat keinerlei Einfluß auf den Klang und ist lediglich dekorativer Art; vermutlich wurde sie (wie die Nachsilbe -horn andeutet) von einem mittelalterlichen Krummhorn-Platerspiel-Prototyp übernommen, der wie die Hornpipe einen gebogenen Schalltrichter aus Horn hatte, und offensichtlich hat sich das Krummhorn aus dem Platerspiel unter Wegfall von dessen empfindlicher, leicht zu beschädigender Base entwickelt. (Munrow)

 

Doppelrohrblatt

Das Doppelrohrblatt (salopp gesagt ein plattgebissener Strohhalm) wirdDoppelrohrblatt auf einem metallenem Röhrchen befestigt und in den Korpus des Instrumentes gesteckt. Bei Fagott oder Oboe wird es direkt angeblasen, bei Windkapselinstrumenten wird über das Rohrblatt eine Windkapsel gestülpt. Durch einen schnabelartigen Fortsatz dam oberen Ende der Windkapsel (bei größeren Instrumenten durch einen seitlichen Schlitz in der Oberkante oder durch ein seitlich an der Windkapsel angebrachtes Röhrchen) bläst der Spieler in die Windkapsel hinein und setzt das Doppelrohrblatt in Schwingung. Ein Überblasen ist bei Windkapselinstrumenten, ausgenommen Rauschpfeife, nicht möglich, so dass nur eine None als Tonumfang erreicht wird.

 

Grifflöcher:

Das Krummhorn besitzt 6 - 8 vorderständige Grifflöcher (davon 1 - 2 bei größeren Modellen mit Klappen),Krummhorn ein hinterständiges Daumenloch sowie zusätzliche Stimmlöcher am unteren Tubusende.

 

Tonerzeugung:

Die Höhe der einzelnen Töne hängt ab vom Fingersatz, vom Rohrblatt (Breite, Länge, Stärke) und vor allem vom Atemdruck der Spielers, der einen Ton im Rahmen einer Quinte verändern und durch verschiedenen Atemdruck die Intonation vor allem von chromatischen Tönen korrigieren kann (Honegger/Massenkeil).
Der Klang ist sanft schnarrend und erinnert an das Krummhorn-Register der Orgel (Zungenpfeifenregister).

 

Geschichte:

KrummhornDoppelrohrinstrumente sind seit dem späten 15. Jahrhundert in Europa nachgewiesen, waren in der Renaissance-Musik sehr beliebt und verschwanden wegen ihrer äußerst begrenzten Möglichkeiten - Tonumfang, Dynamik, Variabilität des Tons - aus der Kunstmusik Anfang/Mitte des 17. Jahrhunderts.

 

Sebastian Virdung (*um 1465) bildet in der Musica getutscht von 1511 vier verschiedene Größen ab.

 

Martin Agricola (1486-1556) führte in Musica instrumentalis deudsch, 1529, nur drei Größen auf, während Michael Praetorius (1571-1621) in Syntagma musicum II, 1619, fünf verschiedene Größen mit Stimmumfang angibt: Exilent c¹-d²; Diskant g-a¹; Alt/Tenor c-d¹; Bass Chorist F-g und Großbass 1B/1A-d.

KrummhornHans Burgkmair: Kayser Maximilian I. Triumph, 1516, Blatt 20 „Musica Schalmeyen, pusaunen und krumphörner“ mit Posaune, Krummhörnern und Pommern.

 

In Deutschland, Italien und den Niederlanden erfreuten sich die Krummhörner und verwandte Windkapselinstrumente großer Beliebtheit: Zahlreiche Abbildungen zeigen den Gebrauch der Instrumente; in Vorworten zu Kompositionen werden sie häufig als Besetzung vorgeschlagen. Tilman Susato scheint eine besondere Vorliebe für dieses Instrument gehabt zu haben, da er seinen Musik- und Druckereibetrieb unter dem Siegel In de Kromhoorn eröffnete. Obwohl Heinrich VIII. 25 Krummhörner in seiner Sammlung besaß, sind die englischen Quellen ausgesprochen rar. In Frankreich überlebten die Krummhörner am längsten: Noch 1650 erschienen les cromornes et les trompettes marines (Krummhörner und Trumscheite) unter den Instrumenten der Grande Ecurie du Roy.

 

Als Heinrich Schütz seinen Dienst als Hofkapellmeister am kurfürstlichen Hof in Dresden antrat, fand er einen Satz Krummhörner im Bestand der Kapelle vor.

 

Erhalten haben sich historische Instrumente in den Sammlungen von Berlin, Brüssel, Leipzig, Linz, München, Nürnberg, Paris, Prag und Wien. Im Zuge der Renaissance der Alten Musik werden seit den 50er Jahren Krummhörnern nachgebaut. Unserer Instrumente stammen aus dem Renaissance- und Barock-Instrumentenstudio Celle sowie aus der Körber-Werkstatt: Mit Sopran-, Alt-, Tenor-, Baß- und C-Bass-Instrument ist die gesamte Familie der Krummhörnern vertreten.

 

Literatur:

John Henry van der Meer: Musikinstrumente. Von der Antike bis zur Gegenwart, München 1983, S. 81ff.
David Munrow: Musikinstrumente des Mittelalters und der Renaissance, Celle, 1980, S. 74ff.
Musikinstrumente der Welt. Eine Enzyklopädie mit über 4000 Illustrationen, Gütersloh 1981.
Curt Sachs: Real-Lexikon der Musikinstrumente zugleich ein Polyglossar für das gesamte Instrumentengebiet, 3. unveränderter Nachdruck der Ausgabe Berlin 1913, Hildesheim 1979.
div. Lexika: Grove, Honnegger/Massenkeil, MGG 1 + 2, Riemann, Ruf.
Die Abbildung auf der Titelseite ist aus: Michael Praetorius: Syntagma Musicum II, 1619.