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Clavichord

 

Clavichord [Bild 1]

 

Bezeichnung:

von lat. clavis (= Taste) und chorda (= Saite)

 

Geschichte:

Das Clavichord gilt als das älteste besaitete Tasteninstrument. Seit Beginn des 15. Jh. ist es als Hausmusikinstrument weit verbreitet, wegen seines pädagogischen Wertes auch bei Organisten und Cembalisten als leicht verfügbares und kostengünstiges Instrument sehr beliebt: Das Fundament aller Clavirten Instrumenten ... Doruff auch die Discipuli Organisi zum anfang instruirt vnnd vnterrichtet werden (Preatorius).

Es ging aus dem Monochord („Einsaiter“) hervor, das sich bis zum 14. Jh. zu einem größeren Instrument mit bis zu 19 Saiten entwickelt hatte.

 

Eberhard de Cersne nannte es in seiner Minne Regel, Minden nach 1404, clavicordium. Auch die erste bildliche Darstellung ist in Minden zu finden: Mindener Altar, 1425. Henri Arnault de Zwolle verfasste um 1440 die erste Baubeschreibung für ein Instrument mit 37 Tasten und 10 Saitenpaaren. Im Weimarer Wunderbuch (um 1440) ist ein Clavichord mit mehreren gleichlangen Saiten abgebildet.

 

Die Ältesten erhaltenen gebundenen Clavichorde sind vermutlich um 1540 in Nürnberg entstanden, das älteste bundfreie baute Gottfried Silbermann 1723.

 

Wegen seiner individuellen Tongebung avancierte das Clavichord im 18. Jh. zum Lieblingsinstrument im „galanten und empfindsamen Stil“ (C. Ph. E. Bach, Chr. G. Neefe und D. G. Türk). Johann Mattheson rühmt 1713 den singenden Ton des Instrument. Im 19. Jh. wurden viele Clavichorde durch Einsetzen einer Hammermechanik zu Tafelklavieren umgebaut. Durch die Alte Musik und die historische Aufführungspraxis erlebt das Clavichord eine Renaissance im 20. Jh.

 

Funktionsweise:

Das Clavichord besteht meist aus einem rechteckigen Holzkasten mit Deckel. Zum Spielen wird das Tasteninstrument auf einen Tisch oder ein Untergestell gesetzt.

Clavichord [Bild 2]

Die Klaviatur an der Längsseite des Kastens hat einen Umfang von 2½ - 5, im 17. Jh. meist 4 Oktaven. Die meisten Instrumente weisen eine doppelchörige Saiten-Bespannung auf.

 

Im rechten Drittel des Kastens befinden sich die akustischen Teile des Instruments mit Resonanzboden, Steg und Stimmstock, im linken die Klaviatur und der Anhängestock für die Saiten. Die Saiten verlaufen quer zu den Tasten und sind aus Eisen, Stahl oder Messing gefertigt.

Clavichord [Bild 3]

Auf der Verlängerung der Taste, dem hinteren Ende des Tastenhebels, sitzt ein Metallstift oder -plättchen, die Tangente (lat. tangere = berühren), die beim Niederdrücken der Taste die Saite berührt, in Schwingung versetzt und auf die dem jeweiligen Ton entsprechende Saitenlänge verkürzt. Es klingt nur der rechts von der Tangente - in Richtung Steg - befindliche Teil der Saite, der linke Teil wird durch ein Tuchgeflecht oder eine filzüberzogene Leiste gedämpft.Clavichord [Bild 4]

 

Man unterscheidet gebundene und bundfreie Clavichorde.

 

Bei den gebundenen Instrumenten sind einem Saitenchor mehrere (bis zu 5) nebeneinanderliegende Tangenten zugeordnet. Dies machte das Instrumente zwar sehr handlich und leicht stimmbar, hatte aber zur Folge, daß benachbarte Töne nicht gleichzeitig gespielt werden konnten und dem akkordischen Spiel Grenzen gesetzt waren.

 

Mit Ausweitung der gebräuchlichen Tonarten und einer immer komplexeren Harmonik wurde dieses Konstruktionsverfahren schrittweise verändert, bis man im 17. Jh. bundfreie Clavichorde baute, so dass jede Saite einen separaten Saitenchor besaß.

Clavichord [Bild 5]

Da die Tangente gleichzeitig als Anschlagmittel und als Steg dient - die Saite wird am Ende ihrer klingenden Länge erregt - ergibt sich ein relativ leiser und zarter Ton. Weil die Tangente aber so direkt auf die Saite einwirkt, besteht wie bei keinem anderen Tasteninstrument die Möglichkeit durch unterschiedlichen Druck den Klang zu beeinflussen: durch wechselnden Druck des Fingers entsteht eine Art von „Bebung“, ein Vibrato.

 

Wegen seiner individuellen Tongebung war das Clavichord seit dem ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jh. (vgl. Michael Praetorius: Symtagma Musicum, 1619) und wahrscheinlich bis zu J. S. Bach das bevorzugte Lehrinstrument vor dem Cembalo.

 

Bis Ende des 17. Jh. wurde es aus Weichholz gefertigt, roh belassen oder mit einem Anstrich versehen. Später fanden edlere Hölzer Verwendung, das Gehäuse wurde mit Intarsien oder Schnitzereien versehen und das Deckelinnere mit Gemälden oder Sinnsprüchen versehen.

 

Clavichord [Bild 6]Unser ausgestelltes Instrument stammt aus der Werkstatt Günter Trobisch, Hohenstein. Für das Deckelgemälde ließ sich Gerlinde Böhnisch-Metzmacher, Jena, 1985 durch ein Stammbuchblatt von 1590 inspirieren, das eine auf „allerley Instrumenten“ musizierende Gesellschaft zeigt. Für das Deckelgemälde standen der Jenaer Malerin - einem alten Brauch folgend - Personen aus ihrem Freundeskreis Modell.

 

Clavichord [Bild 7]

V.l.n.r. sind zu sehen: Gerd Böhnisch, Glas-Designer bei Zeiss, Jochen Ternette, Dozent für Slawische Sprachen, Universität Jena, Prof. Dr. Bernhard Wächter, Kunsthistoriker, Universität Jena, Felix Böhnisch, Dieter Gräbner, Hausmeister der Universitäts-Nervenklinik, Dr. Manfred Ludwig, Physiker bei Zeiss, Prof. Dr. Günther Steiger, Historiker, Kustos der Universität Jena, Dr. Heinz Günther, Chemiker, Siegfried Präßler, Bauingenieur, Günther Schörlitz, Universitätsfotograph, Dr. Konrad Staiger, Chemiker, Gunther Philler, Buchhändler, Hermann Werner, Dirigent und Pianist, Dr. Jürgen Conradi, Wiss. Mitarbeiter bei Jenapharm, Dr. Otto Löw, Chemiker, Dalmatinerhund Berry.

 

Literatur:

John Henry van der Meer: Musikinstrumente. Von der Antike bis zur Gegenwart, München 1983, S. 81ff.
David Munrow: Musikinstrumente des Mittelalters und der Renaissance, Celle, 1980, S. 72ff.
Musikinstrumente der Welt. Eine Enzyklopädie mit über 4000 Illustrationen, Gütersloh 1981.
Curt Sachs: Real-Lexikon der Musikinstrumente zugleich ein Polyglossar für das gesamte Instrumentengebiet, 3. unveränderter Nachdruck der Ausgabe Berlin 1913, Hildesheim 1979.
div. Lexika: Grove, Honnegger/Massenkeil, MGG 1 + 2, Riemann, Ruf.
Die Abbildung auf der Titelseite ist aus: Michael Praetorius: Syntagma Musicum II, 1619.