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Allegorie auf die Eitelkeit - Adrian van Nieuland

 

Adrian van Nieuland - Allegorie auf die Eitelkeit

 

Adrian van Nieulands (1587 - 1658) Allegorie auf die Eitelkeit von 1651 ist eine für das 16. und 17. Jahrhundert typische Vanitas-Darstellung. Der lateinische Begriff vanitas geht auf das Alte Testament ('Alles ist eitel') zurück und steht für Eitelkeit, Nichtigkeit und die Vergänglichkeit alles Irdischen.

 

In der Darstellungsweise gibt es verschiedene Bildtypen, die alle dem Betrachter die Vergänglichkeit irdischen Lebens und diesseitiger Werte moralisierend vor Augen … führen. Sie sind eine Mahnung, stets eingedenk des Todes (memento mori) und des göttlichen Gerichtes den Sinn des Lebens in der Bewährung vor Gott zu sehen.1 Die weltlichen Güter, wie Reichtum, Schönheit und Macht, werden der Vergänglichkeit zugeordnet, dagegen seelische Tugenden der Unvergänglichkeit oder der Unsterblichkeit.

 

Adrian van Nieuland - 30jähriger KriegAls Gegenpol zur zunehmenden, verstärkt diesseitig orientierten Prachtentfaltung im 16. und 17. Jahrhundert entstanden eine Vielzahl literarischer und bildlicher Werke zum Thema Vergänglichkeit und Besinnung auf die wahren christlichen Werte des Lebens. Vanitas-Still-Leben erlebten ihre Blütezeit im 17. Jahrhundert vor allem in den Niederlanden.

 

Adrian van Nieuland stammt aus einer flämisch-holländischen Malerfamilie des 16./17. Jahrhunderts. Er erblickte 1587 in Antwerpen das Licht der Welt und verstarb 1658 in Amsterdam. 1623 erhielt er für fünf Jahre ein Privileg auf den Druck eines Kupferstiches zum Lob und Preis der freien Niederlande und der Prinzen von Oranien. Er malte vor allem Landschaften mit profaner und biblischer Staffage. Von ihm stammt auch eine Allegorie auf den Friedensschluss in Münster 1648, 1650 (heute in Amsterdam). In der Schlosskirche zu Frederiksborg, Dänemark, hängen elf auf Kupfer gemalte Bilder, die Heinrich Schütz bei seinen Kopenhagen-Reisen möglicherweise gesehen haben könnte.

 

Ausschnitt aus Adrian van Nieuland - Allegorie auf die EitelkeitIn unserem Bild Allegorie auf die Eitelkeit ziehen zwei Putten einen großen Vorhang auf, um einer dritten mit Spruchband einen würdigen Auftritt zu ermöglichen. Wie eine Überschrift wird dem Betrachter die Thematik des Bildes vorgegeben: Vanitas vanitatum et omnia vanitas - vereinfacht übersetzt: Alles ist vergänglich, nichts hat ewig Bestand.

 

Viele Szenen und Motive des Bildes spielen auf diesen Vanitas-Gedanken an:
Ausschnitt aus Adrian van Nieuland - Allegorie auf die EitelkeitDie "personifizierte Vanitas" liegt ausgestreckt auf dem Diwan, ihre Nacktheit nur von einem transparenten Tuch verhüllt. Ihr wird von einer Dienerin ein Spiegel vorgehalten. Im Spiegel, der schon an sich als Symbol für die Eitelkeit steht, erblickt sie ihr Spiegelbild, das einer alten Frau und dazwischen einen Totenschädel. Damit wird ihr deutlich das Memento mori, das Gedenke, auch du wirst sterben, drastisch vor Augen geführt: Auch ihre Schönheit ist nicht von Dauer und wird vergehen, auch sie wird alt und muss sterben.

 

Ausschnitt aus Adrian van Nieuland - Allegorie auf die EitelkeitDie drei Kinder in der rechten unteren Bildecke halten weitere Vanitas-Symbole in den Händen: Das Mädchen blickt auf einen Blumenstrauß in strahlenden Farben, die sicherlich auch wunderbar duften. Doch auch diese Blumen werden verwelken … Der Knabe taucht einen Strohhalm in eine Schale in Form einer Muschel, die mit Seifenlauge gefüllt ist. Er bläst hinein und erzeugt Seifenblasen. Vielleicht eines der schönsten Bilder für die Vergänglichkeit: Man bläst die Seifenblasen auf, sie glitzern im Licht in allen Farben des Regenbogens, steigen auf und zerplatzen - damit ist die ganze Herrlichkeit vorbei!

 

Tänzer und Instrumentalisten stehen für die Musik, eine Kunst, die in der Zeit abläuft. Mit dem Verklingen des Tons ist die Musik vergangen und wird auch genau so nie wieder erklingen. Musik ohne Zeit ist nicht denkbar!

 

Ausschnitt aus Adrian van Nieuland - Allegorie auf die EitelkeitAuf dem Tisch hat Nieuland ein Vanitas-Still-Leben in sein Bild integriert: kostbare Dinge aus dem Kuriositätenkabinett eines Adligen wie Muscheln und Schnecken, Pokale und Gläser sind hier auf kostbarem Tuch arrangiert. Aber auch Zeichen "nicht gestalteter Zeit" sind mit dem Kartenspiel und den Würfeln auf dem Boden zu entdecken.

 

Aus der Vielzahl möglicher Attribute und Elemente hat Nieuland für sein Gemälde diese ausgewählt. Es hätten auch Chronos oder Saturn, die erloschene Kerze, wurmstichige Bücher oder alte Akten, welke oder entblätterte Blumen, die Sanduhr, die Fackel oder die Öllampe, Särge oder geborstene Grabsteine sein können, die für den Verlauf der Zeit oder die abgelaufenen Zeit stehen.

 

Vanitas-Darstellungen verweisen auch auf die Zeitgeschichte, eine Zeit des Umbruchs in allen Lebensbereichen: 2

Die Selbstsicherheit des Renaissance-Menschen, das Vertrauen in eine sinnvolle und logisch geordnete Welt, in die schöpferischen Kräfte des vernunftbegabten Wesens Mensch wich einem Bewusstsein von der Sinnlosigkeit allen menschlichen Tuns … Unsicherheit machte sich auch im Glauben breit; seit die Reformation die europäische Christenheit in Katholiken und Protestanten gespalten hatte, seit die Gegenreformation den Kampf gegen "Häresie" und "Ketzerei" aufgenommen hatte, führte man Kriege im Namen Gottes nicht mehr nur gegen "Heiden", die die christliche Zivilisation von außen bedrohten, sondern rieb sich in Glaubenskämpfen auf heimatlichem Boden auf. Und schließlich waren es die Naturwissenschaften, die dem Menschen den vermeintlich sicheren Boden unter den Füßen fortzogen. Durch den Wandel von spekulativen zu experimentellen Methoden förderten sie Ergebnisse zutage, die vor allem den festen Platz des Menschen im kosmischen Weltgefüge in Frage stellten. Mit dem neu entwickelten Fernrohr ließen sich Behauptungen von der Unendlichkeit des Alls beweisen, für die der Dominikanermönch Giordano Bruno wenige Jahre zuvor noch öffentlich verbrannt worden war. Man begriff, daß die Dinge keinen festen Ort in einem wohlgefügten Weltgebäude hatten, sondern daß der Winzigkeit und der Riesenhaftigkeit keine Grenzen gesetzt waren, daß das Weltall unermesslich und die Erde nicht sein Zentrum war, sondern nur einer von unzähligen Planeten im All.

 

Diese Umwälzungen und grundlegenden Veränderungen hat Heinrich Schütz in seinem langen Leben immer wieder erfahren: In Venedig erlebte er 1609, wie Galileo Galilei sein neues Fernrohr auf dem Markusplatz präsentiert. Noch im selben Jahr veröffentlichte Johannes Kepler seine Astronomia nova mit den ersten beiden Keplerschen Gesetzen. Schütz erlebte und überlebte den "Großen Krieg", der alle politischen und moralischen Vorstellungen auf den Kopf stellte. Eine wahre Flut an naturwissenschaftlichen Publikationen spiegelt den ungeheuren Wissenszuwachs gerade im Quadrivium der Sieben freien Künste wider. Damit fällt für den Menschen des 16. und 17. Jahrhunderts erstmals der Glaube - was uns die Bibel erzählt - und Wissen - was uns die Naturwissenschaft beweisen kann - auseinander. Mit diesen Neuerungen und Änderungen in der Welt- und in den Wertevorstellung musste der Mensch des 17. Jahrhunderts leben und sie für sich verarbeiten, er mußte sie akzeptieren und sich zu eigen machen. In diesem Kontext kam die Idee der Vanitas-Darstellung auf, die das Vergehen von Dingen aber auch Vorstellungen thematisiert. Diese Darstellungen sind typisch für alle Bereiche der Kultur im ausgehenden 16. und 17. Jahrhundert. Sowohl in der Malerei als auch in der bildenden Kunst und vertonte Vanitas-Texte findet man auch in der Musik der Zeit.

 

Literatur:
G. GSODAM: "Vanitas", in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Rom, Freiburg, Basel, Wien 1994, Band 4, Sp. 409ff.
Silke LEOPOLD: "Claudio Monteverdi - Gestalter einer Zeitenwende", S. -8 - 11, in: Claudio Monteverdi und die Folgen. Detmold - Paderborn, 20. - 29. November 1993, Programmheft.
Ulrich THIEME und Felix BECKER: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Leipzig 1999, Band 25. Lexikon der Kunst, Seemann-Verlag Leipzig 1994.
1648 Krieg und Frieden in Europa, Ausstellungskatalog Münster 1998, S, 255 - 256.

 

Das Gemälde ist eine Dauerleihgabe der Stiftung Moritzburg Halle - Kunstmuseum des Landes Sachsen, Halle/Saale.

 

1 G. GSODAM: "Vanitas", in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Rom, Freiburg, Basel, Wien 1994, Band 4, Sp. 409ff.

 

2 Silke LEOPOLD: "Claudio Monteverdi - Gestalter einer Zeitenwende", S. 8 - 11, in: Claudio Monteverdi und die Folgen. Detmold - Paderborn, 20. - 29. November 1993, Programmheft S. 9.